Auf den Spuren der Familie Engels
„Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“
(Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, MEW Band 3, Dietz Verlag, 1969, S. 46)
Museum für Frühindustrialisierung und Geburtshaus von Friedrich Engels sen. in Wuppertal
Wuppertal wird meist nur mit der einzigen Schwebebahn Deutschlands verbunden. Man tut ihr unrecht. Diese Stadt hat mehr zu bieten, ein Zentrum der Geschichte, ein Ensemble mit großbürgerlichen Wohn- und Arbeiterhäusern. Im 18. und 19. Jahrhundert stieg sie zu einer der führenden Industriestädte Deutschlands auf. Daran hat eine Familie unbestreitbar den größten Verdienst, die Baumwollfabrikanten Engels. Eine Familie für die Innovation nicht nur ein starrer Begriff war, die mit den Ideen und Lebensweisen der Vorgängergeneration immer wieder brach, um Neues anzupacken. Im Ortsteil Barmen, im Zentrum für Frühindustrialisierung und Engels-Haus darf der Besucher die Geschichte der Familie von 1747, als Johann Caspar Engels die bäuerlichen Traditionen seiner Vorfahren verwarf, bis zum Mitbegründer des wissenschaftlichen Sozialismus Friedrich Engels jun., der 1895 in London starb, erleben.
„Da das Museum für Frühindustrialisierung wegen der anstehenden Neugestaltung der Dauerausstellung ab Juni 2018 geschlossen sein wird, dient der Museumspavillon bis 2020 als zentrale Anlaufstelle für das Historische Zentrum.“ (Stadt Wuppertal)
Die Familie Engels
Wer das Karl Marx Haus in Trier sowohl vor, als auch nach seiner Neueröffnung im Juni 2005 kennt, wird feststellen, dass das Geburtshaus seines Freunds Friedrich Engels bescheidener, allerdings aussagekräftiger und lehrreicher gestaltet ist. Im Engels Haus handelt es sich nicht wie in Trier um ein einzelnes Gebäude, in welchem das Leben und Werk der beiden bedeutenden Philosophen des 19. Jahrhunderts dargestellt ist, vielmehr befindet sich in Wuppertal, Ortsteil Barmen, ein historisches Zentrum, bestehend aus dem Museum für Frühindustrialisierung und dem Engels-Haus. Das gesamte bauliche Ensemble mit den großbürgerlichen Wohnhäusern der Familie Engels und den beiden Arbeiterhäusern zeigen selbst schon einen Hauch Familien- und Industriegeschichte.
Die Familie Engels besiedelte Ende des 16. Jahrhunderts die „Brucher Rotte“ im südwestlichen Barmen, damals wegen des hohen Grundwasserspiegels ein sumpfiges Gelände. Für die landwirtschaftliche Nutzung war dieses Gebiet kaum geeignet. Doch sie beackerten den Boden, versuchten den Boden, oft vergebens, trocken zu legen und brachten ihre Familien durch. Bis Johann Caspar Engels I. (1715 – 1787) 1747 mit den bäuerlichen Traditionen brach. Die feuchten Wiesen boten geradezu ideale Bedingungen, um Garn zu bleichen. So entschloss er sich zu einer gewerblichen Nutzung der Wupperauen. Von hier war es bei dem Unternehmungssinn, der den Engels im Blute lag, nur ein Schritt, dass sie sich selbst auf den Handel mit Garnen verlegten.
Bereits seit drei Jahrhunderten blühte in Barmen und Elberfeld die Garnbleicherei. Die wirtschaftliche Neuorientierung hatte Erfolg, als in Deutschland noch niemand etwas von Manufakturen wissen wollte. Der Frühkapitalismus, den es bereits seit 1640 in England gab, hatte Einzug gehalten. Johann Caspar Engels I., der Urgroßvater von Friedrich Engels jun., der ebenso wie sein Vater Benjamin Engels in seiner Jugend noch mit der Kiepe auf dem Rücken zum Markt gegangen war, begründete damit den Wohlstand der Familie. Mit einem Kapital von etwa 25 Talern soll er seinen kleinen Garnhandel begonnen haben. Er brachte es dahin, dass er eine Bleicherei und Bandwirkerer errichten konnte, die bei seinem Tode zu den großen industriellen Betrieben Barmens gehörte. Noch 1846 stimmte Gustav Kühne, der jugendliche Reiseschriftsteller, als er das „deutsche Manchester“ besuchte, zu einer Hymne an, als er von den Engels sprach, die sich freilich im Unterton bereits gegen den missratenen Urenkel, den „herumziehenden, heimat- und besitzlosen Fabrikpöbel“, den Sozialisten, richtete.
Der Verdienst zur Wandlung von der kleinen Manufaktur zum Großbetrieb war nicht allein Johann Caspar Engels I. zu verdanken, vielmehr mehrten die Söhne und Enkel in umsichtiger, fleißiger und nüchterner Arbeit ihren Besitz. Sie bildeten sich ein sicheres Standbein als Kapitalisten, welche auf einen Arbeiterstamm angewiesen waren. Sie herrschten zwar in patriarchalischem Geist über ihre Arbeiter, doch betrieben sie untereinander in friedlichem Einvernehmen die Firma Caspar Engels & Söhne. Sie erweiterten ihre Produktpalette sogar um seidene Bänder und einen Seidengroßhandel.
„Kapitalist sein, heißt nicht nur eine rein persönliche, sondern eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einzunehmen.“
(Friedrich Engels, Kommunistisches Manifest, MEW Band 4, Dietz Verlag, 1959, S. 475)
Johann Caspar Engels II. (1753 – 1821) werden neben ausgereiften kaufmännischen Fähigkeiten auch Herzensbildung nachgesagt. Sie kamen ihm bei den mannigfachen kirchlichen und bürgerlichen Ehrenämtern, die er begleitet, zugute. Das soziale Pflichtgefühl des Vaters schien bei ihm noch stärker ausgeprägt zu sein. So ließ er 1796 für die Kinder seiner Arbeiter eine Schule errichten und stand 1816, als eine Dürre das Land heimsuchte, an der Spitze des Kornvereins, der für die notleidende Bevölkerung Barmens billige Lebensmittel beschaffte. Dazu schrieb Staatsrat Kunth im selben Jahr: „Die Fabrik- und Wohngebäude der höchst achtenswerten Familie Kaspar Engels bilden mit den Bleichplätzen für sich beinahe eine kleine halbkreisförmige Stadt.“
Als Johann Caspar Engels II. 1821 starb, fiel das Erbe an seine drei Söhne. Sie verstanden sich jedoch nicht so gut, wie die vorangegangenen Generationen. Deshalb einigten sich der älteste Sohn Friedrich Engels sen. und seine beiden Brüder darauf, das Los möge entscheiden, wer den väterlichen Betrieb weiterführen soll. Es entschied gegen Friedrich Engels sen. und während die väterliche Firma langsam einschlief, begründete er mit den beiden Brüdern Ermen zuerst in Manchester 1837, Barmen und Engelskirchen 1841 die Baumwollspinnerei Ermen & Engels.
Modelle im Engels-Haus (Haus 3)
Im Engels-Haus (Haus 3) zeigen Modelle des Unterbarmer Bruchs, die Ausdehnung der Anwesen der Familie Engels aus dem Jahr 1825.
Fabrikkolonie: Um 1770 wurden die ersten Manufaktur-Arbeiterhäuser im Unterbarmer Bruch errichtet. Hier lebten die Bleicher, Wirker, Spuler und Bandweber mit ihren Familien. Johann Caspar Engels I. versuchte damit die Arbeiter in der Nähe seiner Manufaktur anzusiedeln, um die Produktionsvorgänge zu zentralisieren, die Leistungsfähigkeit seiner Arbeiter zu steigern und somit seinen Profit zu erhöhen. Dabei vermietete die Firma Caspar Engels & Söhne die Wohnungen, in denen oft die Arbeitsgeräte standen, preisgünstig an die Arbeiter, die für ihn arbeiteten.
Ebenfalls im Modell zu sehen, ist das „Doppelte Haus“, welches 1783 im Auftrag Johann Caspar Engels II. erbaut wurde. Ursprünglich wurden derer vier errichtet, doch in den 50ziger Jahren des 20. Jahrhunderts riss man zwei zu Gunsten der Verkehrsplanung ab. Die beiden verbleibenden, befinden sich heute in der Wittensteinstrasse.
Wohnhäuser der Familie Engels: Hier sind alle vier Häuser der Familie vereint. Das ursprüngliche bescheidene Wohnhaus, das Zweite mit dem Zwerchgiebel und gleich daneben, die beiden heute noch erhaltenen Häuser 3 und 4.
Unterbarmer Bruch – Ostseite: Bei diesem Modell sieht man, die zwischen 1800 und 1810 von Johann Caspar Engels II. veranlasste Schließung der Baulücken am Bruch. Dort stand bereits seit 1796 die Brucher Schule. In den Baulücken ließ er neue Wohn- und Arbeitsstätten für Bandwirker und Schreiner errichten. Darunter befand sich auch des Haus: Bruch Nr. 173. Dieses wurde später zum Wohnhaus der Familie Engels umgebaut und somit das Geburtshaus von Friedrich Engels jun.. Um 1825 lebten neben der Familie Engels bereits 350 Facharbeiter mit ihren Familien im Bruch.
Brucher Schule: Johann Peter Engels legte 1774 testamentarisch fest, dass 1200 Reichstaler für eine Schule im Bruch anzulegen ist. Die Zinsen aus diesem Kapital sollen dem Schulfond zufließen. 1796 wurde das Schulgebäude errichtet. Zunächst umfasste es ein Klassenzimmer, eine Lehrerwohnung und zwei kleinere Räume. 1815 wurde die Schule auf Kosten des letzten Überlebenden der drei Brüder Engels, von Johann Caspar II. nochmals erheblich verbessert und erweitert.
Alte Manufaktur: Ganz am Rand kann man, die beiden erhalten geblieben Wohnhäuser der Familie Engels erkennen. Das im Vordergrund befindliche verschieferte Haus, Bruch Nr. 173, wurde 1943 zerstört. Dort befindet sich heute ein Gedenkstein, der an das Geburtshaus Friedrich Engels jun. Erinnert. Als er 1820 geboren wurde, nannte die Firma Caspar Engels & Söhne bereits 70 Häuser, Fabrikgebäude, Schuppen und Stallungen ihr eigen. Im Unterbarmer Bruch lebten und arbeiteten circa 1200 Menschen.
Das historische Ensemble – Häuser der Familie Engels
Ursprünglich besaß die Familie Engels fünf Wohnhäuser. Das älteste, das Stammhaus (Haus 1), welches südlich des Museumsgeländes stand, wurde durch den Eisenbahnbau 1842 abgerissen. Vom Haus 2 sind noch einige Reste der Grundmauern unter dem heutigen Museumshof erhalten.
Das heutige bauliche Ensemble zeigt das großbürgerliche Wohnhaus (Haus 3), dem Geburtshaus von Friedrich Engels sen., das ähnliche benachbarte Haus 4 und den beiden Arbeiterhäusern aus dem Jahr 1785.
Engels Museum – Haus 3
Dieses großbürgerliche Wohnhaus, ehemals Bruch Nr. 127, wurde 1775 im Auftrag von Johann Caspar Engels I. durch den Baumeister Johann Eberhard Haarmann (1736 – 1817) verwirklicht. 1962 wurde es von der Stadt Wuppertal erworben und zwischen 1969 und 1970 aufwendig restauriert. Somit konnte es zum 150. Geburtstag, am 28. November 1970, vom Friedrich Engels jun. Der Öffentlichkeit übergeben werden.
Eberhard Haarmann hatte zwischen 1755 und 1770 unter dem Baumeister Nicolas de Pigage (1723 – 1796) am Benrather Schloss und am Neubau des „Jägerhofes“ in Düsseldorf mitgearbeitet. Später errichtete er in Elberfeld und Barmen einige prächtige Bürgerhäuser. Die Engels-Häuser 3 und 4 sind ganz in den typischen Formen und Farben des bergischen Spätbarocks gehalten. Die Innenausstattung zeugt von jener herkömmlichen Bescheidenheit, wie sie den frühen, pietistisch geprägten Kapitalisten im Tal der Wupper des späten 18. Jahrhunderts eigen war.
Erdgeschoss – Musikzimmer: Die historische Möblierung des Zimmers stammt aus dem 19. Jahrhundert. Bemerkenswert ist die Standuhr mit einer Anzeige der Mondphasen sowie sonstigen astronomischen Angaben. Der umlaufende Fries ist mit Akanthusblättern verziert.
Hier pflegten Johann Caspar Engels II. und seine Brüder ihre privaten und öffentlichen musikalischen Aktivitäten und gründeten 1780 die Gesellschaft „Musica“. Johann Caspar Engels II. beherrschte die Orgel. Friedrich Engels sen. spielte Fagott und Cello und sein Bruder August die Klarinette. Die beiden letztgenannten gründeten 1826 den „Barmer-Musik-Verein“ mit. Sicher zeugen die beiden Stuckelemente: zwei Sphingen, die zwischen sich eine Lyra mit Lorbeerkränzen halten, welche sich über dem reich verzierten gusseisernen Ofen befinden, von den musikalischen Aktivitäten der Familie.
Erste Etage – Repräsentationszimmer: Das, mit bunten Ölbildertapeten tapezierte Repräsentationszimmer wurde im Jahr 1803 neu umgestaltet. Es lässt sich nicht nachweisen, ob die Papierbahnen vor Ort oder bereits im Atelier bemalt wurden oder gar aus den Niederlanden stammen. Als Künstler könnte Wilhelm Schaar nachgewiesen werden, er war zumindest Inhaber einer Tapetenfabrik und Vergolderei in Barmen.
Stuckarbeiten: Die im Raum befindlichen Stuckarbeiten wurden vermutlich während der Errichtung des Hauses schon ausgeführt.
Die einfassenden Elemente der Ofennische, ein Vogelnest mit zwei Tauben, unterlegt von sich kreuzenden Merkurstab und einer brennenden Fackel, dahinter ein kleiner Rosenstock, wurden hervorragend ausgeführt. Hier entdeckt der Besucher die zeittypischen Motive: Keuschheit, Eintracht, Liebe, Unschuld und Demut (Turteltauben). Merkur ist der Götterbote für Handel, Kaufleute, Verkehr, Ertrag und Reichtum, hingegen die brennende Fackel für die zwischenmenschliche Liebe steht. Die weißen Rosen stehen als Zeichen für Schönheit und Reinheit des Menschen.
In der Ofenwölbung befindet sich eine weitere Arbeit; der Kopf eines Widders mit einem blühenden Rosenzweig, der von einem Lorbeerkranz umgeben wird. Der Widder steht für Opferbereitschaft, somit ist der Lorbeerkranz schwieriger zu verstehen. Man könnte dieses Siegeszeichen als sakrale Verwendung auffassen. Dieses Motiv ist bekannt aus vielen Bildern, Christus mit der Dornenkrone, der christlichen Geschichte.
Die Einrichtung und die Dekoration des Zimmers verrät die christlich soziale Haltung der Familie Engels.
Wandmalereien: Alle Bildmotive, größtenteils niederländische und rheinische Landschaften beziehungsweise Küstenszenen, wurden sind vermutlich nach Stichen ausgewählt wurden. Es mag den Eindruck erwecken, dass die Burgen-, Schlösser- und Ruinenromantik nicht so recht dem aufkommenden Industriezeitalter entsprechen würde. Sie entsprechen in ihrer Grundausstattung immer noch den Traditionen des Villenbaus zurückliegender Zeiten. Allerdings zeigt die Einrichtung schon die bescheideneren Elemente der neuen Zeit. Hierzu wurde auf teure Freskentechnik verzichtet.
Lebensstationen Friedrich Engels jun.
Sorgsam wurden die historischen Dokumente, Bücher, Bilder, Briefe und Urkunden ausgewählt. So sind die Stationen des Lebensweges von Friedrich Engels, ebenso seines literarischen, journalistischen und wissenschaftlichen Werkes, mit Hilfe von szenischen Diorahmen sachlich dargestellt.
Kindheit und Schulzeit in Barmen: Diese Station zeigt die Kindheit Friedrichs, das Leben im behüteten Schoß der Familie, zwischen den neun Geschwistern und mit den dort wohnenden Arbeiterkindern. Von 1829 bis 1834 besucht Engels die Barmer Stadtschule, wobei er die zweite Knabenklasse, wegen schlechter Leistungen wiederholt, danach absolviert er das Elberfelder Gymnasium. Dieses musste Friedrich Engels jun. auf drängen seines Vaters als Unterprimaner 1837 verlassen, um baldmöglichst die Interessen der Firma Engels gegenüber dem neuen Geschäftspartner des Vaters in Manchester vertreten zu können. Schon frühzeitig erkannten die Eltern wohl seine sprachliche Begabung; Latein, Griechisch, Französisch und Englisch fließend, er beherrschte im Laufe seines Lebens 20 Sprachen.
Lehrjahre in Bremen: Nach einer kurzen Einführung im väterlichen Kontor des Vaters in Barmen, schickte er Friedrich jun. zur weiteren Ausbildung nach Bremen zu seinem befreundeten Kaufmann Heinrich Leupold. Sein Lebensweg schien vorbestimmt. Bereits in Bremen begann Friedrich jun. zu Schreiben. Er veröffentlichte unter dem Pseudonym Friedrich Oswald erste essayistische Aufsätze und Gedichte sowie Rezensionen in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem in der „Allgemeinen Zeitung“, die in Augsburg herausgegeben wurde. In dieser Zeit verfasste er auch das Theaterstück „Cola di Rienzi“, welches ein Fragment blieb. Im Anschluss an seine Ausbildung als Handlungsgehilfe, die er mit glänzenden Leistungen beendete, absolvierte er seinen Militärdienst als Einjähriger-Freiwilliger bei der Garde Artillerie in Berlin. Danach trat er seine Tätigkeit in der Baumwollspinnerei Ermen & Engels in Manchester an.
Brüssel – Paris – Brüssel: Bereits von Manchester aus begann Friedrich Engels seine Mitarbeit an den Pariser „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“, sowie ab 1844 auch am Pariser „Vorwärts.“ Die Jahre zwischen 1843 und 1848 waren unstetige, aber produktive für den jungen Engels. Nachdem er Manchester verlassen hatte ging er zunächst nach Brüssel, dann nach Paris und nach seiner Ausweisung 1848 zurück nach Brüssel. In dieser Zeit entwickelte sich eine Zusammenarbeit, mit dem aus Trier stammenden, Philosophen Karl Marx. Gemeinsam verfassten sie erste Werke, wobei Marx zwar den notwendigen Humor, aber Engels den einfachen Sprachstil beisteuerte.
Die Lage der arbeitenden Klasse in England – 1845: Das erste sozialistische Werk der Welt schrieb Friedrich Engels während eines kurzen Aufenthaltes in Barmen nieder. Der Vater betrachtete seine guten Absichten, seinen Sohn nach Manchester zu schicken, später als „großen Fehler.“ Dennoch führte Friedrich Engels jun. den väterlichen Betrieb in Manchester noch bis 1869 mit glänzenden kaufmännischem Geschick. Er verhasst diese Arbeit, die er aus reiner Notwendigkeit nachgeht: „… Ich verzichtete auf die Gesellschaft und die Bankette, den Portwein und den Champagner der Mittelklasse und widmete meine Freistunden fast ausschließlich dem Verkehr mit einfachen Arbeitern; ich bin froh und stolz zugleich, so gehandelt zu haben…“, schreibt er im Vorwort.
Revolution 1848/49: Sicher überschatten die Ereignisse der damaligen Metropolen, besonders das „Professorenparlament“ in der Paulskirche, die Geschichtsbücher. Doch gab es auch im rheinisch-westfälischen Raum für die politische Mach des aufstrebenden Bürgertums einige bedeutende Ereignisse. Im bergisch-märkischen Raum trat die Revolution erst innerhalb der „Reichsverfassungskampagne“ im Jahr 1849 in Erscheinung. Die größten Unruhen gab es in Solingen, Iserlohn, Düsseldorf sowie in Elberfeld, wo Friedrich Engels jun., als Barrikadeninspekteur, an den Kämpfen teilnahm. Er wurde nach der Niederlage der Stadt verwiesen und floh wie viele andere in die Pfalz, wo er sich dem Willichschen Freikorps anschloss.
Politische Tätigkeit: Nach der Revolution konnte sich Friedrich Engels jun. nicht länger in Deutschland aufhalten, weshalb er im November 1850 nach Manchester zurückkehrte. Engels arbeitet wieder im Kontor der Firma Ermen & Engels. Nach dem Tod des Vaters 1860 wird er Teilhaber der Firma, aus der er 1869 ausscheidet, um sich bis zu seinem Lebensende seiner schriftstellerischen, wissenschaftlichen und politischen Arbeit zu widmen. Über seine politische Arbeit schreibt er 1884: „Ich habe die zweite Violine gespielt und glaube, es zu einer Virtuosität darin gebracht zu haben, und ich war verdammt froh, dass ich dabei eine so gute erste Violine hatte wie Marx.“
Engels – Haus 4
1795 vergibt Johann Caspar Engels II. abermals Johann Eberhard Haarmann den Bauauftrag für ein neues Familienwohnhaus. Dieses Haus ist wesentlich größer als das Haus 3 und im Inneren etwas luxuriöser ausgestattet.
Heute befindet sich diese Haus in Privatbesitz und kann nicht besucht werden.
Geburtshaus von Friedrich Engels
Ursprünglich wurde das 1810 erbaute Haus, Bruch Nr. 173, von Bandwirkern und Schreinern der Firma Engels bewohnt. Nach der Heirat Friedrich Engels sen. mit Else von Haar im September 1819 übernahm er das Haus. Sein Vater ließ es zu diesem Anlass neu ausstatten. Nach der Geburt des zweiten Sohnes Hermann 1823 wurde es umgebaut und neu gestaltet.
Dieses Gebäude wurde während des Luftangriffs auf Wuppertal im Jahr 1943 vollständig zerstört. An seinem ehemaligen Standort befindet sich heute ein Gedenkstein für Friedrich Engels.
„Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums, sagen die politischen Ökonomen. Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.“
(Friedrich Engels, Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen, MEW Band 20, Dietz Verlag, 1962, S. 444)
Museum für Frühindustrialisierung
Dieser Komplex ist, trotz der zahlreichen ausgestellten historischen Geräte und Maschinen, kein Technikmuseum sondern ein sozialgeschichtliches Museum. Das erste seiner Art in Deutschland, welches sich mit den Auswirkungen auf den Menschen in ihren sozial-kulturellen und technisch-ökonomischen Beziehungen auseinandersetzt. Es zeigt die Übergangsphase von der manuellen Fertigung zur maschinellen Produktion und die daraus resultierenden sozialen Folgen für die Menschen am Beispiel der Region Wuppertal. Dafür wurde das 1983 eröffnete Museum 1984 mit dem European Award of Museum ausgezeichnet. 2004 wurde das Museum vergrößert und die Ausstellungsfläche verdreifacht.
Der Wandel der Textilproduktion: Gezeigt werden die verschiedenen handwerklichen, halbmaschinellen und maschinellen Verfahren des textilen Gewerbes von der Naturfaser bis zum Endprodukt. Hierbei wird auf die im Wuppertaler Raum vorherrschenden Techniken; Bleichen, Spinnen, Weben, Flechten besonders eingegangen. Im zweiten Teil stehen die technischen Veränderungen des seit Mitte des 18. Jahrhunderts auftretenden Garnhungers. Neue Produktionsverfahren und –prozesse führten zu einer Produktionssteigerung um nahezu 2000 Prozent. Neue Produkte konnten auf den Markt gebracht werden. Die Leinenproduktion konnte auf Baumwolle und Seide umgestellt werden.
Kurze Sozialgeschichte: Die Folgen durch die Industrialisierung für die Gesellschaft traten im Wuppertaler Raum besonders scharf zutage. Die vorindustrielle Armut führt direkt zur Massenverelendung der arbeitenden Klassen in den 30iger Jahren des 19. Jahrhunderts. Somit entstanden in Barmen und Elberfeld die ersten Formen der kommunalen Armenhilfe. Sie verdeutlicht einerseits das Verantwortungsbewusstsein der herrschenden Klasse und andererseits die sozialen Folgen durch die neue Wirtschaftsweise. 1849 musste bereits jeder vierte Arbeiter unterstützt werden, dabei lag das Einkommen bei 18 Prozent der Bevölkerung unter dem Existenzminimum. Der Hunger gehörte zum Tagesablauf, wozu katastrophale hygienische Verhältnisse in den Elendsvierteln kamen. Die zunehmende Industrialisierung zog allerdings auch viele Menschen an, so dass sich auch eine Wohnungsnot breit macht, die sich erst in den 80ziger Jahren des 19. Jahrhunderts wieder entspannt.
Die Kinderarbeit hält Einzug. In den Textilfabriken von Barmen und Elberfeld besteht bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Hälfte der Belegschaft aus Kindern. Die Folgen der Kinderarbeit sind bis heute die Gleichen geblieben: Armut, Bildungsmangel und rücksichtslose Profitgier.
Viele der Armen finden bei der Kirche ein offenes Ohr. Sie wird allerdings mit dieser sozialen Frage nicht fertig. Sie trägt ihr Übriges zur Gier der ausbeutenden Minderheit bei: Arm sein ist nicht nur als materielle, sondern auch als geistige Aussage zu begreifen. Sie will den Arbeiter zum besseren Glauben führen. Somit wird die materielle Hilfe als notwendig, aber zweitrangige Aufgabe behandelt. Getreu nach der kalvinistischen Prädestinationslehre, das Schicksal des Menschen sei allein durch Gott bestimmt. Das bedeutet, allein Gott bestimmt, wer Erfolg hat und Verlierer ist. Diese Lehre kann somit für den Arbeiter, den Verlierer nicht gelten. Sie lässt ihm den Weg in sektiererische Zirkel, in denen ihnen das Seelenheil auf absurde Weise versprochen wird, offen. Andernfalls solle er sich von der Kirche trennen.
Geschichte der Technik: Schon 1640 gab es in England erste Manufakturen, doch der entscheidende Umbruch erfolgt im 18. Jahrhundert mit der industriellen Revolution. In einem rasanten Tempo wurde Jahrhunderte-, gar Jahrtausende alte Technik mechanisiert und automatisiert. Durch den Einsatz von Dampfkraft konnte nicht nur die Garnproduktion beinah unbegrenzt gesteigert werden, sondern auch auf viele Arbeitskräfte verzichtet werden. Später wurden auch die Handwebstühle durch mechanische ersetzt. Es entstanden Spinn- und Webfabriken mit denen die Textilhandwerker nicht mehr konkurrieren konnten. Die Vorreiterregion war das Tal der Wupper. Somit entwickelten sich Barmen und Elberfeld zu industriellen Mittelpunkten, aber auch zu sozialen Brennpunkten in Deutschland.
„Der Antisemitismus ist das Merkzeichen einer zurückgebliebenen Kultur… Der Antisemitismus ist also nichts anderes als eine Reaktion mittelalterlicher, untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft“
(Friedrich Engels, „Arbeiter-Zeitung“ Nr. 19 vom 9, Mai 1890, MEW Band 22, Dietz Verlag, 1972, S. 49)
Biografie von Friedrich Engels jun.
- 28. November 1820: geboren in Barmen, heute Wuppertal.
- 1834 – 1837: Besuch des Gymnasiums in Elberfeld
- 1838: Engels beginnt seine Ausbildung als Handelsgehilfe in Bremen
- 1839: Engels veröffentlicht im Hamburger „Telegraph für Deutschland“ anonym seine erste journalistische Arbeit: „Briefe aus dem Wuppertal“
- 1841: Rückkehr nach Barmen und Arbeit im Kontor des Vaters
- Ende 1841: Engels tritt seinen einjährigen Militärdienst in Berlin an
- 1842 – 1843: Mitarbeit an der „Rheinischen Zeitung“
- 1842: erstes Treffen mit Karl Marx
- 1843: Beginn der Lebensgemeinschaft mit der irischen Arbeiterin Mary Burns
- 1844: Mitarbeit an den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ in Paris, zweites Treffen mit Marx – Beginn einer lebenslangen Freundschaft
- Februar 1845: erstes gemeinsames Werk „Die heilige Familie“ erscheint
- Mai 1845: erstes sozialistische Werk der Welt erscheint in Leipzig: „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“
- 1847: „Die deutsche Ideologie“ erscheint, Zusammenarbeit mit Marx, Engels verfasst die „Grundzüge des Kommunismus“
- Februar 1848: „Das Manifest der Kommunistischen Partei“, das Programm des Bund der Kommunisten erscheint in London.
- Mai 1848: Engels wird stellvertretender Chefredakteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ in Köln
- Mai 1849: Engels nimmt an den Barrikadenkämpfen in Elberfeld teil.
- November 1850: Engels nimmt seine Arbeit in Manchester bei der väterlichen Firma Ermen & Engels auf.
- 1860: der Vater stirbt. Engels veröffentlicht erste militärische Beiträge für die „Allgemeine Militär-Zeitung“
- 1863: Engels Lebensgefährtin Mary Burns stirbt in Manchester.
- 1869: Engels verlässt das väterliche Unternehmen und übernimmt den Posten des Sekretärs im Generalrat der 1. Internationale.
- 1870: Engels wird zum Mitglied des Generalrates der Internationalen Arbeiterassoziation gewählt.
- 1872: Engels Schrift „Zur Wohnungsfrage“ erscheint
- 1873: Engels Mutter stirbt, er reist nach Barmen
- 1876: „Anti-Dühring“ erscheint als Artikelserie im „Vorwärts“, ein Jahr später in Leipzig als Buch
- 1883: Marx stirbt in London. Ab diesem Zeitpunkt widmet sich Engels der Herausgabe und Verbreitung des Gesamtwerkes von Marx.
- 1884: „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ erscheint in Zürich, Engels beginnt mit der Arbeit am Marxschen „Kapital“
- 1892: „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ erscheint
- 1894: Engels veranlasst den Druck des dritten Bandes „Das Kapital“ von Karl Marx.
- 5. August 1895: Engels stirbt in London. Die Urne wird nach seinem Testament in Eastbourne nahe der Steilküste dem Meer übergeben.
Adresse
Historisches Zentrum
Museum für Frühindustrialisierung
Engels-Haus
Engelsstr. 10/18
42283 Wuppertal
Internet: Friedrich Engels Haus, Museum für Frühkapitalisierung
Tel: +49 (0)202 – 5634375
Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag jeweils 10:00 – 18:00 Uhr
Montag geschlossen
Eintritt:
Erwachsene: 4 €uro,
Jugendliche bis 16 Jahre: ermäßigt 2 €uro,
Kinder bis 7 Jahre frei
Anreise
Schwebebahn: Haltestelle Adlerbrücke
Bus: Haltestelle Adlerbrücke, City-Express 61 / 611 und 640, Haltestelle Opernhaus/ Barmer Bahnhof: 608 / 332 / 614 / 617 / 624 / 627 / 628 / 632 / 634 / 637 und 644
S-Bahn oder DB: Bahnhof Barmen, von dort 3 Min. Fußweg
Auto: A 46 bis Abfahrt Wuppertal-Barmen, Richtung Barmen Zentrum, hinter der Kreuzung mit der B7 (Schwebebahn) rechts in die Winklerstraße, Parkplatz am Opernhaus.
weitere Informationen zu Friedrich Engels und des Frühkapitalismus
- Friedrich Engels neu denken
- Portal Rheinische Geschichte
- Stadtarchiv Wuppertal
- Friedrich Engels Haus in Wuppertal
- zum Friedrich Engelsjahr 2020
- Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften – Marx-Engels-Gesamtausgabe Forschung
- Marx Engels Werke
- Marxists’ Internet Archive
- Bücher von und über Friedrich Engels
2 thoughts on “Deutschland Reiseführer: Museum für Frühindustrialisierung und Geburtshaus von Friedrich Engels in Wuppertal”