Tibetischer Buddhismus
Diese Schule entsteht im 8. Jahrhundert und liegt der ursprünglich aus Indien stammenden Urform Mahayana-Lehre am nächsten. Zugleich intrigiert sie alle unterirdischen Wege zur Erlösung und beansprucht für sich einzig vollständig zu sein. Heute finden wir in ihm einige Elemente des in Tibet verbreiteten schamanistischen Bon-Glaubens.
Schwerpunkt dieser Lehre ist das Studium und die Praxis. Hieraus resultiert eine besonders enge Beziehung zwischen Schülern und Lehrern. Daraus wiederum entstehen mächtige Klöster, dessen Oberhäupter viele Jahrhunderte lang in ihren Regionen herrschen. Es bilden sich spirituelle Hierarchien, welche das Alltagsleben der Menschen bestimmt, zeitweise dogmatisiert. Deshalb wiederum bestehen heute mehrere Splitterschulen.
Große Meister werden, je nach Splittergruppe, durch ein besonderes System der Erkennung von Widergeburten bestimmt. Daraus entstand oft eine lückenlose Kette an Meistern. Die wohl bedeutendste dieser Widergeburten ist die des 14. Dalai Lama aus der Gelug-Schule.
Gehört Tibet zu China? Oder China zu Tibet?
Seit alters treffen sich Völker, lernen voneinander, leben gemeinsam und trennen sich wieder. So geschah und geschieht es nicht nur in Europa, sondern auf der gesamten Welt, so auch in Tibet.
Einst brachten chinesische Mönche die buddhistische Lehre nach Tibet. Um 600 errichtete ein Fürst ein tibetisches Königreich in den ungefähren Ausmaßen der heutigen Region Tibet. Bald darauf studierten tibetische Adlige an der kaiserlichen Akademie China. Doch ab dem Jahr 797 waren die freundschaftlichen Beziehungen vorerst beendet, beide Völker erklärten sich den Krieg. Erst 821/22 wurde die Feindschaft durch ein Friedensabkommen abgelegt, so kann man an der Steinsäule vor dem Jokhang-Tempel in Lhasa nachlesen: »wenn Tibeter glücklich in Tibet und Chinesen glücklich in China sein werden, ist die große Ära begründet.« Auch Zeugen wurden benannt, die Drei Juwelen, die Heiligen, Sonne und Mond, Planeten und Sterne. Lange hielt das Königreich Tibet nicht, um 900 zerfiel es.
Still wurde es um den Landstrich Tibet. Im 13. Jahrhundert kam eine andere Volksgruppe, die Mongolen, wieder in diese Höhen. Sie hatten unter Dschingis-Khan und dessen Kindern bereits China und nun Tibet unter seine Herrschaft gebracht. Wieder lebten Chinesen und Tibeter in einem Reich, diesmal im mongolischen Großreich. Buddhistische Meister wurden anerkannt und aus ihnen der tibetische Vizekönig gekrönt. Bald kämpften mehrere buddhistische Schulen um die Vorherrschaft in Tibet, wobei sich mal die eine und mal die andere Schule durchsetzte.
Unter Kublai-Khan, einem Enkel Dschingis-Khan, teilte sich das Mongolenreich. Die Yuan-Dynastie wurde proklamiert. Tibet wird als Teil Chinas betrachtet. Doch erst die Ming-Dynastie, welche 1368 begann, beendete die mongolische Herrschaft. Die tibetischen Lamas erhielten ihre Titel vom chinesischen Kaiser und erkannten im Gegenzug ihre Oberherrschaft an. Ebenso zahlten sie Tribut an die Chinesen, wofür diese ihnen ein eigenständiges Leben schenkten. Auf diese Absprache berufen sich die heutigen Tibeter, bei ihrer Forderung nach einem autonomen Tibet.
Bis 1642 kam es kaum zu einer Einigung zwischen den beiden, inzwischen vorherrschenden Schulen des Buddhismus: den Rotmützen und Gelbmützen. Die Religionsdifferenzen sind gering, dennoch spitzte sich die Lage zu. Es ging um die Frage der Macht, die alleinige Herrschaft in Tibet, die rechte Religion. Ein Krieg blieb unausweichlich. Im inneren des Klosters lagern die Rotmützen, der Karmapa-Orden, welcher der Schule der mündlichen Überlieferung des buddhistischen Glaubens folgt. Vor den Toren des Klosters rüsteten die Gelbmützen, die Tugend-Schule mit ihrem Oberhaupt dem Dalai Lama, zum Angriff. Der Kampf verlief blutig, die Brutalität beider Seiten kannte keine Grenzen. Am Ende siegten die Gelbmützen. Eine neue Ära, welche bis heute anhält, beginnt.
1793 erkannte der Dalai Lama erneut die chinesische Herrschaft an, wobei die Autonomie Tibets erhalten bleibt. Dies ändert sich erst, als 1904 britische Truppen Tibet besetzen. Sie zwangen den Tibetern ein Abkommen auf, wonach diese nur Beziehungen zu anderen Ländern aufnehmen durften, wenn die Herrscher in London diesem Vorhaben zustimmen. Peking reagierte empört, doch kann nichts tun. Das Reich bröckelte. 1912 dankte der letzte chinesische Kaiser ab. China versank im Chaos. Der 13. Dalai Lama nutzte diese Gelegenheit und erklärte 1913 Tibet kurzerhand für unabhängig. Jene Ereignisse zwischen 1904 und 1913 mögen die Ursache sein für das Handeln der Chinesen, welche die Spaltung Chinas durch Kolonialmächte befürchten.
Was nun folgte, ist weitreichend bekannt. 1951 wird Tibet durch die chinesische Volksarmee besetzt. Der 14. Dalai Lama, heute amtierend, akzeptierte ein »17 Punkte Abkommen« unter chinesischer Oberhoheit. Er ist sogar begeistert von Mao. Diese Meinung ändert sich erst bei seinem letzten Treffen mit dem chinesischen Staatsoberhaupt Ende der 50ziger Jahre. Aufstände in Tibet häufen sich. Sie werden niedergeschlagen. 1959 flieht der 14. Dalai Lama nach Indien, seinem heutigen Exil.
verwendete und weiterführende Bücher
- Gunkel, Das Geheimnis des Dalai-Lama, Spiegel Geschichte 6/2018 (Abo Zugang erforderlich)
- Russland – Burjatien: Zu Besuch im russischen Lamakloster Ivolginsk (Reisereportage)
- Kollmar-Paulenz, Kleine Geschichte Tibets, C. H. Beck Verlag, München, 2014
- von Brück, Religion und Politik in Tibet, Verlag der Weltreligionen / Suhrkamp, 2008
»Mongolei« – Reportagen aus dem Land der Mythen
Februar 2015 – ISBN: 978-3-7347-6312-0 – 120 Seiten – 24 s/w Fotos – 8,99 Euro
Wie sich die nomadische Mongolei zu einem konsumorientierten Land verändert hat, in dem westliche Lebensart mehr zählen als die alten Tugenden. Und warum daran auch der Kult um Dschingis Khan nichts ändert.
»Wenn wir, ein ganzes Volk, in gemeinsamer Anstrengung und gemeinsamem Willen, zusammenkommen, so gibt es nichts auf der Welt, was wir nicht erreichen oder lernen könne.« (Süchbaatar)
… Der Blick durch die Tür ist jeden Tag derselbe. Egal wo ihr Ger in der Gobi gerade steht. Eine Gebirgskette, morgens saftig gelb und mittags, blass gelbbraun, am Abend herrlich rötlich und in der Nacht pechschwarz. Auf der weiten Wüstensteppe gibt es glühende Schicksale, deren Puls die Jahreszeiten und deren Herz die Menschen in den Gers sind. Sie singen, während der Wind über das Land streift, das Lied vom Leben. Mag sein, dass die Wüstensteppe für einen Fremden nur ein karg bewachsener Sandkasten ist, für den Nomaden ist es der Gesang der Düne, der sie glücklich macht.
enthaltene Reportagen
- Der fünfte Tiger Asiens – Von Urga nach Ulaanbaatar
- Nomadenstaat – Aufbruch in ein neues Zeitalter
- Der Buddhismus – die Erlösung – Zwischen Tradition und Wirklichkeit: Karakorum, Ulaanbaatar und der Rest der Welt
- Wind, Sand und Kaschmirwolle – Kamelzüchter in der Wüste Gobi
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